Berührungsängste und „Barrieren im Kopf“ abbauen

27. Mai 2013

Die blinde Ex-Spitzensportlerin Verena Bentele referierte in Regens-Wagner-Einrichtung Zell über das Thema „Inklusion“

„Es gibt für jeden Menschen seinen Platz, wo er sich beteiligen und — das ist ganz wichtig — wohlfühlen kann“:
Verena Bentele mit Sven Ehrhardt im Zeller Kräutergarten.

Text und Bild Roth-Hilpoltsteiner-Volkszeitung vom 27.5.2013

Das Thema „Inklusion“ führte die ehe­malige Biathletin Verena Bentele in die Regens-Wagner-Einrichtung in Zell. Die „Expertin aus eigener Erfahrung“, wie sie selbst sagt, ist von Geburt an blind und seit 2012 im Landtagswahl-Kompetenzteam von Christian Ude für die „Sport und Inklusion“ zuständig.

Für ein Gespräch mit Betroffenen kam die 31-Jährige mit SPD-Landtagskan­didat Sven Ehrhardt nach Zell.

ZELL — Rund 60 Besucher, darun­ter zahlreiche Regens Wagner-Mitar­beiter und auch einige Bewohner der Einrichtung, konnte der stellvertre­tende Gesamtleiter der Einrichtung, Norbert Müller begrüßen. Danach führte Erhardt mit wenigen Worten in das Veranstaltungsthema ein. Dabei machte er auch deutlich, warum ihm die Inklusion am Herzen liegt: Er sei selbst „ein stückweit ein Kind der Inklusion“ erzählte er, da er wegen einer motorischen Schwäche in der Kindheit zunächst eine spezielle För­dereinrichtung besucht habe. Erst über diesen Umweg habe er auf eine Regelschule wechseln können und kenne deswegen beide Seiten.

In ihrem kurzen Vortrag ging die frühere Spitzensportlerin und vielfa­che Medaillengewinnerin dann auf den Zusammenhang von Bildung und Inklusion ein. Sie selbst habe den „Spagat zwischen Förderschule und Uni“ in München erlebt und letztlich auch geschafft. Allerdings hät­ten frühere und häufi­gere Berührungspunkte zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ihrer Meinung nach „vie­les leichter gemacht — für beide Seiten!“ Be­rührungsängste müss­ten vermieden und „Bar­rieren im Kopf“ abge­baut werden. „Das ge­meinsame Erleben ist das beste Mittel, um die Angst zu verlieren und Verbindungen zu schaf­fen.“

Verständnis fehlt

Sie habe die Erfahrung gemacht, dass oft einfach das gegenseitige Ver­ständnis fehle und Hilfe vielfach schlichtweg aus Unwissenheit ausbleibe. Dennoch dürfe bei Inklu­sion keinesfalls nur an den Bildungs­sektor gedacht werden.

Die Herausforderungen und Berüh­rungspunkte seien wesentlich vielfälti­ger und beträfen auch zahlreiche andere Bereiche, etwa den Zugang zum Arbeitsmarkt. „Es gibt für jeden Menschen seinen Platz, wo er sich beteiligen und — das ist ganz wichtig — wohlfühlen kann“, lautete daher das Plädoyer und Fazit am Ende ihres Vortrags.

„Kein Allheilmittel“

Die „Passgenauigkeit“ von Inklu­sion kam auch bei der anschließenden Diskussionsrunde zur Sprache. Eine Mitarbeiterin gab beispielsweise zu bedenken, dass eben nicht jeder Behin­derte auf dem normalen Arbeitsmarkt Fuß fassen wolle oder gar könne. Dem einen oder anderen sei der geschützte Bereich in einer speziellen Werkstatt einfach lieber, was man respektieren müsse.

In dieselbe Richtung ging auch eine andere Wortmeldung: Inklusion sei zwar wichtig und richtig, könne jedoch kein Allheilmittel sein. Es müsse akzeptiert werden, dass diese Grenzen habe. Nicht zuletzt deshalb sei es wichtig, bestehende Angebote und Einrichtungen zu erhalten, plä­dierte ein Gast aus dem Publikum. Aber auch auf zahlreiche andere Pro­bleme wiesen die Zuhörer hin. Unge­nügende finanzielle Mittel, Mängel in der Lehramtsausbildung, ein inklusi­onsfeindliches Schulsystem oder büro­kratische Hürden waren nur einige der Punkte, bei denen mehr Unterstüt­zung gewünscht wurde.

Text und Foto: Regler
Copyright (c)2013 Verlag Nuernberger Presse, Ausgabe 27.05.2013

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